Stand, 19.02.2025
Hintergrund
Der Deutsche Tee & Kräutertee Verband vertritt die Interessen der Unternehmen, die sich mit der Einfuhr, Herstellung, Abpackung und/oder dem Inverkehrbringen von Tee (Camellia sinensis L. O. Kuntze) und Kräuter- und Früchtetees (teeähnliche Erzeugnisse) in allen Gattungen und Darreichungsformen befassen.
Tee sowie Kräuter- und Früchtetees sind landwirtschaftliche Erzeugnisse, deren Rohwaren im Ursprung angebaut, geerntet und vorprozessiert werden. Informationen zu den rund 300 Pflanzen (und Pflanzenteilen), die üblicherweise in Tee sowie Kräuter- und Früchtetees verwendet werden, sind in der Inventarliste Lebensmitteldrogen des Deutschen Tee & Kräutertee Verbands gelistet. Die Rohwaren werden weltweit beschafft und stammen bei Tee teils aus großen Teegärten, im Übrigen aus kleinbäuerlichem Anbau oder Wildsammlung.
Es geht nun darum, für die Allgemeinheit die Verfügbarkeit dieser ca. 300 Pflanzen (und Pflanzenteile) auch für die Zukunft sicherzustellen.
Thematik
Der weltweite freie Handel mit Tee sowie Kräuter- und Früchteteerohwaren hat eine jahrhundertelange Tradition. Tee sowie Kräuter- und Früchtetees sind natürliche und gesunde Lebensmittel. Die Verbraucher konnten dabei bisher von der großen Vielfalt der unterschiedlichen Geschmacksrichtungen und Erzeugnisse und ihren positiven Eigenschaften umfassend profitieren.
Der Zugang der Importeure und Hersteller zu den Pflanzen, die für die Herstellung von Tee sowie Kräuter- und Früchtetees verwendet werden, war bisher ohne Einschränkungen möglich, sodass die Pflanzen als Allgemeingut angesehen und genutzt werden konnten. Sie standen allen Unternehmen für die Herstellung ihrer Produkte zur Verfügung.
Seit einiger Zeit zeigen sich jedoch Tendenzen, dass einzelne Marktteilnehmer versuchen, die allgemeine Verfügbarkeit der Pflanzen zu ihrem ausschließlichen Vorteil einzuschränken und damit zu monopolisieren. Dafür nutzen sie Gesetze, die eigentlich ein anderes Ziel bzw. einen anderen Schutzzweck haben. Prominente Beispiele sind der Eintrag von Cistus incanus L. Pandalis (Zistrose) in der Unionsliste[1] zur Verordnung über neuartige Lebensmittel[2] und der Schutz von Brunnenkresse durch die Registrierung im europäischen Verzeichnis der garantiert traditionellen Spezialitäten[3].
Die erstgenannte Verordnung über neuartige Lebensmittel dient dem freien Verkehr mit unbedenklichen und gesunden Lebensmitteln. Durch sie sollen Barrieren, die durch unterschiedliche nationale Gesetzesvorschriften bei der Bewertung der Sicherheit und der Zulassung neuartiger Lebensmittel bestehen, abgebaut und faire Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. Der Zugang der Allgemeinheit zu Pflanzen, die natürlicher Bestandteil der weltweiten Flora und generell als Lebensmittel geeignet sind, soll durch die Verordnung nicht eingeschränkt werden.
Diesem Zweck widerspricht es, wenn einzelne Marktteilnehmer den Schutzmechanismus der Verordnung dazu ausnutzen, sich ein Monopol auf die Vermarktung solcher pflanzlichen Erzeugnisse dauerhaft zu sichern. Im Falle von Cistus incanus L. wurde durch Zufügung des Namens „Pandalis“ ein Sortenschutz gemäß der europäischen Sortenschutzverordnung[4] für diese Pflanzen eingetragen. Der Sortenschutz ist ein dem Patent vergleichbares Ausschließlichkeitsrecht und schützt das geistige Eigentum an Pflanzenzüchtungen. Der Sortenschutz dient somit der Pflanzenzüchtung und dem züchterischen Fortschritt in Landwirtschaft und Gartenbau.[5] Dagegen betrifft der Sortenschutz nicht das aus den Pflanzen gewonnene Erntegut, auf das die lebensmittelrechtlichen Regelungen einschließlich der Verordnung über neuartige Lebensmittel Anwendung finden. Im Gegensatz zu den vom Sortenschutz erfassten Pflanzen selbst ist das Erntegut der Allgemeinheit zugänglich. Um die Vermarktung auch des Ernteguts unbefristet zu monopolisieren wurde im Falle von Cistus incanus L. Pandalis entgegen der Gesetzessystematik die Regelung für Pflanzen auf dieses Lebensmittel übertragen. Dadurch wird in den Wettbewerb eingegriffen und die Vermarktung des Lebensmittels in einer von der Verordnung über neuartige Lebensmittel gar nicht vorgesehenen Form eingeschränkt. Diese will neuartige Lebensmittel bei Stoffgleichheit nach einer gewissen Frist vielmehr allen Marktteilnehmern zugänglich machen. Die im Falle von Cistus incanus L. Pandalis aufgezeigte Vorgehensweise birgt die Gefahr in sich, dass durch entsprechendes Vorgehen in der Zukunft die Vermarktung von pflanzlichen Lebensmitteln immer weiter monopolisiert und damit zulasten der Allgemeinheit eingeschränkt wird.
Auch im Falle der Brunnenkresse wurde von einer Erzeugergemeinschaft – in diesem Fall über die Verordnung zum Schutz traditioneller Spezialitäten – versucht, die komplette Art Nasturtium officinale zu monopolisieren. Letztendlich ist im Rahmen des Antragsverfahrens der Schutz aber auf eine bestimmte Anbauform beschränkt worden, so dass Brunnenkresse grundsätzlich uneingeschränkt weiter vermarktet werden kann. Nur im Falle der Kennzeichnung der besonderen Anbauvariante greifen die Einschränkungen durch die Verordnung. Auch durch die Verordnung zum Schutz traditioneller Spezialitäten droht somit die Gefahr, dass künftig weitere Versuche im Rahmen dieser Verordnung erfolgen, die auf eine monopolisierte Vermarktung bestimmter pflanzlicher Ernteerzeugnisse abzielen.
Um den uneingeschränkten Zugang der Allgemeinheit zu pflanzlichen Lebensmitteln zu erhalten und eine Monopolisierung zu vermeiden, muss sichergestellt werden, dass Regelungen nicht in systemwidriger Weise zum Schutze einzelner Marktteilnehmer angewendet und missbräuchliche Anträge abgewehrt werden.
Die aufgezeigten Forderungen stehen auch in Einklang mit den Zielen des Nagoya Protokolls, das ja gerade unter Einhaltung fairer Bedingungen den Zugang aller zu pflanzlichen Ressourcen vorsieht. Dabei wird das traditionelle Wissen indigener Völker, das sich auf genetische Ressourcen bezieht, durch Vorteilsausgleich anerkannt.
Schließlich stimmt dies überein mit dem Geist und den Zielen des WIPO Treaty on Intellectual Property, Genetic Resources and Associated Traditional Knowledge[6]. Dieser Vertrag zielt darauf ab, die Wirksamkeit, Transparenz und Qualität des Patentsystems in Bezug auf genetische Ressourcen und damit verbundenes traditionelles Wissen zu verbessern. Er soll zudem verhindern, dass Patente fälschlicherweise für Erfindungen erteilt werden, die in Bezug auf genetische Ressourcen und damit verbundenes traditionelles Wissen nicht neu oder erfinderisch sind.
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[1] DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) 2022/202 DER KOMMISSION vom 14. Februar 2022 zur Berichtigung der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2470 zur Erstellung der Unionsliste der neuartigen Lebensmittel zu Cistus incanus Pandalis
[2] Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2025 über neuartige Lebensmittel
[3] DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) 2022/2000 DER KOMMISSION vom 18. Oktober 2022 zur Eintragung eines Namens in das Register der garantiert traditionellen Spezialitäten „Watercress“/ „Cresson de Fontaine“/„Berros de Agua“/„Agrião de Água“/„Waterkers“/„Brunnenkresse“ (g. t. S.)
[4] Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz
[5] https://www.bundessortenamt.de/bsa/sorten/sortenschutz _ letzter Aufruf: 19.02.2025
[6] https://www.wipo.int/edocs/mdocs/tk/en/gratk_dc/gratk_dc_7.pdf _ letzter Aufruf: 19.02.2025