Neue Standards entwickeln und setzen

Es gibt bereits einige Standards zur Zertifizierung von sozialen Bedingungen in Agrarlieferketten. Das internationale Familienunternehmen Worlée NaturProdukte GmbH hat dennoch zusammen mit der NGO CARE Egypt Foundation und mit Unterstützung der GIZ und des SASI Due Diligence Funds* einen eigenen Standard erarbeitet und getestet. Er soll künftig auch anderen Unternehmen der Branche zur Verfügung stehen. Im Gespräch berichtet Kristine David, Leiterin Corporate Responsibility bei Worlée, warum das Unternehmen sich für diesen Standard entschieden hat und welche Vorteile dieser hat.
Frau David, warum ein eigener Standard?
Es gibt bereits zahlreiche Zertifizierungsstandards, die sich auf Produkte entlang der Lieferkette konzentrieren, wie Rainforest Alliance oder Fairtrade. Daneben existieren Systemzertifizierungsrichtlinien, beispielsweise für Arbeitssicherheit oder andere soziale Aspekte. Uns fehlte jedoch ein Programm, das nicht nur auf Teilaspekte sozialer Nachhaltigkeit eingeht, sondern umfassend auf die Besonderheiten in unserer Lieferkette und auf unsere Lieferanten eingeht. Ein Rundumschlag sozusagen. Deshalb haben wir gemeinsam mit der NGO CARE Egypt Foundation („CARE“) und einem Pilotlieferanten aus Ägypten einen eigenen Leitfaden entwickelt, um ein ganzheitliches Instrument zur Überprüfung von Arbeitsstandards und –bedingungen zu schaffen.
Welche Herausforderungen wollten Sie mit diesem neuen Standard adressieren?

Zum einen sind bestehende Zertifizierungen oft sehr kostspielig für die Akteure in der Lieferkette. Wir wollten ein Tool schaffen, bei dem die Kosten nicht primär auf den Lieferanten entfallen. Zum anderen wollten wir näher an unsere wichtigsten Lieferanten heranrücken und umfassendere Informationen gewinnen, um uns mit ihnen gemeinsam im Bereich Nachhaltigkeit weiterzuentwickeln. Neben der Verantwortung, die wir für unser Handeln in den Ursprungsländern haben und sehr ernst nehmen, stellen Sozial- und Umweltaspekte erhebliche Risiken für Unternehmen dar. Geringe Arbeitssicherheitsstandards können beispielsweise zu Produktionsausfällen führen, die sich auf die gesamte Lieferkette auswirken.
Wer waren die Hauptakteure in diesem Projekt?
Die Hauptpartner waren die NGO CARE und wir. Uns war es wichtig, mit Spezialisten für Menschen- und Arbeiterrechte an unserer Seite zu arbeiten, die über umfangreiche Erfahrung mit ähnlichen Projekten in der Lebensmittelbranche in Ägypten verfügen und die eng mit Experten der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verbunden sind.
Wie sind Sie bei der Entwicklung des Standards konkret vorgegangen?

Zunächst haben wir gemeinsam mit CARE das Grundgerüst des Audit-Standards entwickelt und festgelegt, wie Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung ablaufen sollen. Und wir haben die inhaltlichen Anforderungen definiert, die sich an unserem Supplier Code of Conduct orientieren. Dieser bündelt wiederum alle relevanten Sozial- und Umweltstandards in 12 Leitprinzipien, auf die wir uns mit unseren Lieferanten zu Beginn der Geschäftsbeziehung verständigen. Neun dieser Prinzipien betreffen soziale Aspekte. Dazu zählen unter anderem die Versammlungsfreiheit, das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit sowie Arbeitssicherheitsstandards.
Wie sieht das Ergebnis dieser Arbeit aus?
Das Endprodukt ist ein Handbuch mit einer detaillierten Beschreibung des gesamten Audit-Prozesses sowie Checklisten für die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung. Teil des Entwicklungsprozesses war es auch, den Standard gemeinsam mit einem Pilotlieferanten in Ägypten zu testen – sowohl in einer Fabrik als auch auf den Feldern. Zudem haben wir zwei Vorlieferanten aus unseren Lieferketten mit in den Test einbeziehen können.
Inwiefern unterscheidet sich Ihr Audit-Standard von bestehenden Zertifizierungen?
Ein wichtiger Aspekt ist die Anwendbarkeit des Standards für andere Unternehmen unserer Branche. Während Zertifizierungen meist von außenstehenden Drittparteien durchgeführt werden (Third-Party Audits), handelt es sich bei unserem Standard um ein Second-Party Audit – also eine direkte Zusammenarbeit zwischen uns und unseren Lieferanten. Dieses Konzept ist auch für andere Unternehmen anwendbar, die soziale Verantwortung in ihren Lieferketten übernehmen möchten. Unsere Idee ist es, den Standard öffentlich verfügbar zu machen, damit ihn auch andere nutzen können.
In welchem Zusammenhang steht das Projekt mit Ihrer Unternehmensphilosophie?
Unsere Vision ist es, der zuverlässigste und nachhaltigste Rohstoffpartner zu werden. Nachhaltigkeit ist ein zentraler Bestandteil unserer Unternehmensstrategie. Gerade in Ländern wie Burkina Faso, Ghana oder Indien, woher viele unserer Rohstoffe stammen, bestehen besondere soziale und ökologische Herausforderungen. Unser Ziel ist es, dass wir gemeinsam mit unseren Partnern an der Verbesserung von Arbeitsbedingungen und Umweltstandards arbeiten.